Ulrike Meinhof @ Meerrettich Berlin

31. März – 5. Mai 2004

Pressemitteilung: thomas kilpper in der galerie meerrettich im pavillon an der volksbühne rosa-luxemburg-platz, berlin
kontakt: 030 28879710 – email: info AT meerrettich.net

ulrike meinhof – ausstellung vom 31.03. bis 09.05.04
im pavillon am rosa-luxemburg-platz eröffnet am 31. märz, 20 uhr thomas kilpper seine ausstellung mit der skulptur eines überlebensgroßen kopfes: ulrike meinhof.

unter verschiedenen namen spielte der rosa-luxemburg-platz seit fast 100 jahren unterschiedlichste rollen als bühne für politische auseinandersetzungen und monumente. zahlreiche demonstrationen der linken, etwa nach der ermordung von rosa luxemburg und karl liebknecht, aber auch bedrohlich inszenierte aufmärsche der nazis nahmen hier ihren ausgang.
1928 versuchte die kpd an der stelle des heutigen pavillons ein denkmal für lenin zu errichten.
der damalige berliner senat lehnte das vorhaben jedoch ab. nur wenige jahre später errichteten dort stattdessen die nationalsozialisten das horst-wessel-denkmal. seit einiger zeit wird nun versucht, mit einem kunstwerk ein denkzeichen für rosa luxemburg zu errichten.

mit ulrike meinhof will thomas kilpper die spezifische politisierung dieses ortes in die gegenwart verlängern, jedoch nicht ohne dabei neue brüche zu schaffen und die stilisierungen und klischierungen, die damit einhergehen, kritisch zu befragen. mit seiner skulptur bezieht er sich auch auf die gleichnamige johann-kresnik-inszenierung an der volksbühne von 1993.

ulrike meinhof steht wie kaum eine andere persönlichkeit der westdeutschen nachkriegslinken für einen langen weg der politischen auseinandersetzung mit den mächtigen dieses staates, auf dem sie sich von einer kritischen journalistin zu einer revolutionären untergrund-kämpferin radikalisierte. sie engagierte sich in den 50-er jahren als studentin gegen die wiederbewaffnung und gegen die atomrüstung der brd, bevor sie über zehn jahre politische essays insbesondere in der zeitschrift konkret veröffentlichte und schließlich, auf dem höhepunkt des us-kriegs gegen vietnam, 1970 selbst zur waffe griff und die rote armee fraktion mitbegründete.

1972, nach 2 jahren großfahndung und allenthalben plakatierung an jeder litfaß-säule, wurde sie gefasst. die haft musste sie zeitweise in völlig menschenleeren trakten, isoliert von der außenwelt, verbringen. während des großen stammheim-prozesses saß sie mit andreas baader, gudrun ensslin und jan carl raspe auf der anklagebank. kurz nachdem sie vor gericht eine umfangreiche rede und anklage gegen das us-amerikanische „engagement” in indochina vortrug, wurde sie am 9.mai 1976 tot in ihrer zelle aufgefunden. der staat hat es nicht geschafft, die widersprüche und begründeten zweifel an seiner selbstmord-these auszuräumen und die todesumstände lückenlos aufzuklären.

ulrike meinhof wäre dieses jahr 70 jahre alt geworden. nach ihrem tod wurde ihr gehirn ohne einwilligung der angehörigen entfernt und über ein viertel jahrhundert lang zu „wissenschaftlichen zwecken” in labors deutscher universitäten aufbewahrt. bereits 1973 wollte die staatsanwaltschaft gegen den willen von ulrike meinhof einen op-eingriff in ihr gehirn vornehmen, der nur durch internationale öffentlichkeit und kritik verhindert werden konnte.
die mediale aufbereitung des „gehirnraubes” zeigt die wiederkehr dieses alten versuchs der pathologisierung von ulrike meinhof und damit die pathologisierung revolutionärer politik überhaupt. dagegen setzt der künstler die realität der werke, die ulrike meinhof selbst geschaffen hat, ihre texte und briefe von 1960-76.

ulrike meinhof
31.03.04
ausstellungseröffnung
rosa-luxemburg-platz
berlin