Vom Maghreb lernen @ Museo Marino Marini, Villa Romana and déjà.vu

30. Juni 2011

Museo Marino Marini, Villa Romana and déjà.vu präsentieren

THOMAS KILPPER

Vom Maghreb lernen. Wie kann man unerwünschte Präsidenten loswerden?

mit Emanuela Ascari, Astrid Auberger, Giulia Cenci, Eva Geatti, Maria Gleu, Ozan Erme Han, Cemile Kaptan, Daniela Spagna Musso, Alia Scalvini, Dominique Vaccaro, Eugenia Vanni, Johannes Wagenknecht. Kuratiert von Lelio Aiello — 30.06.2011, 18:30 Uhr

Im Juni veranstaltete der Künstler Thomas Kilpper (Deutschland) einen Workshop mit dem Titel Learning from Maghreb. Wie wird man von ungeliebten Präsidenten befreit? in Villa Romana, Florenz. Im Einklang mit den Erfahrungen der letzten Jahre hat das work.lab den Fokus auf den Alltag und seine territorialen, sozialen und politischen Implikationen gelegt. Es hat Fragen über die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft gestellt und wie man soziale Fragen durch Kunst angehen kann. Für wen produzieren wir Kunst? Welche Rolle spielt die Kunst im Kampf um soziale Emanzipation und Gleichberechtigung? Könnten künstlerische und ästhetische Strategien für den sozialen Wandel entwickelt werden?
Der Workshop hat zwölf Teilnehmer an der Realisierung eines Kunstwerks im Eingangsbereich des Museo Marino Marini beteiligt, für das recycelte Materialien verwendet wurden. Die Installation wurde im Rahmen von Skulptur und Architektur unter aktiver Beteiligung der Gruppe erarbeitet.

Die zwölf Teilnehmer wurden von dem Komitee ausgewählt, das sich aus Lelio Aiello (Kuratorin des work.lab), Angelika Stepken (Direktorin der Villa Romana), Alberto Salvadori (Direktor des Marino Marini Museums) und Thomas Kilpper (Künstler) zusammensetzt.

work.lab ist Teil von déjà.vu, einem in Bologna geborenen Projekt, das seit vier Jahren eine Studie durchführt, die international renommierte Künstler, Studenten und öffentliche Orte in einer Dimension des Dialogs und der Partizipation umfasst.

Die Villa Romana ist ein 1905 vom deutschen Künstler Max Klinger in Florenz gegründetes Gebäude, das als Forum für zeitgenössische Kunst fungiert, das durch Ausstellungen und verschiedene Initiativen einen fruchtbaren Dialog mit der lokalen Realität fördert und kooperative Beziehungen zu interessanten Partnern fördert. Jedes Jahr vergibt sie einen internationalen Preis für Künstler, die für ein Jahr eine Residenz anbieten.

Das Marino Marini Museum ist eine Stiftung, die die Erhaltung, den Schutz, die Entwicklung und die Ausstellung der Werke von Marino Marini in der Öffentlichkeit sowie die Verwaltung des Museums in der ehemaligen Kirche von San Pancrazio in Florenz gewährleistet. Sie fördert kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen, die Künstlern und Themen vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart gewidmet sind.

aritmia ist eine kulturelle Vereinigung mit Sitz in Bologna, die künstlerische Experimente und Produktionen fördert, die der zeitgenössischen Kultur am nächsten kommen.

work.lab2011
Imparare dal Maghreb. IT
Museo Marino Marini, Villa Romana e déjà.vu
sono lieti di presentare

THOMAS KILPPER
Imparare dal Maghreb. Come sbarazzarsi dei presidenti non desiderati?

con Emanuela Ascari, Astrid Auberger, Giulia Cenci, Eva Geatti, Maria Gleu, Ozan Erme Han, Cemile Kaptan, Daniela Spagna Musso, Alia Scalvini, Dominique Vaccaro, Eugenia Vanni, Johannes Wagenknecht. a cura di Lelio Aiello —— 30.06.2011, ore 18:30

Il Museo Marino Marini inaugura giovedì 30 giugno alle ore 18.30 Imparare dal Maghreb. Come Sbarazzarsi dei Presidenti Indesiderati? Un’installazione che coinvolge la zona d’ingresso del Museo, realizzata con materiali di riciclo frutto del laboratorio „work.lab“, a cura di Lelio Aiello, tenutosi a Villa Romana da Thomas Kilpper con dodici giovani artisti italiani e internazionali.

Thomas Kilpper (Stoccarda 1956) residente a Berlino, invitato ad esporre alla Biennale di Venezia nel padiglione Danese, è noto per i suoi lavori che intervengono in specifici contesti sociali e politici. L’artista, borsista nel 2011 a Villa Romana, Firenze, ha tenuto per due settimane, nel mese di giugno, un laboratorio. I dodici partecipanti selezionati da una commissione formata da Lelio Aiello (curatore work.lab), Angelika Stepken (Direttore Villa Romana), Alberto Salvadori (Direttore Museo Marino Marini), e dallo stesoo Kilpper sono: Emanuela Ascari (Maranello, 1977); Astrid Auberger (Berlin, 1986); Giulia Cenci (Cortona, 1988); Eva Geatti (Bologna, 1981); Maria Gleu (Nurberg, 1988); Ozan Emre Han (Istambul, 1985); Cemile Kaptan (Istambul, 1977); Daniela Spagna Musso (Bologna, 1975); Johannes Wagenknecht (Bulgaria, 1987); Alia Scalvini (Desenzano, 1980); Dominique Vaccaro (Bologna, 1980).

In linea con le esperienze degli anni passati il laboratorio ha focalizzato l’attenzione sul quotidiano e sulle sue implicazioni territoriali, sociali e politiche. Ha posto interrogativi sul ruolo dell’artista nei confronti della società e su come affrontare questioni sociali attraverso l’arte. Per chi si produce arte? Quale ruolo ha l’arte nella lotta per l’emancipazione e/o l’uguaglianza sociale? Si possono sviluppare strategie artistico-estetico per il cambiamento sociale?
Il laboratorio ha coinvolto i dodici artisti nella realizzazione di un’opera nell’area d’ingresso del Museo Marino Marini, per la quale sono stati utilizzati materiali di riciclo, elaborando una installazione al confine tra scultura e architettura, che ha preso forma attraverso la partecipazione attiva del gruppo.

Con il sostegno del Museo Marino Marini, di Villa Romana, della Fondazione del Monte di Bologna e Ravenna. Col patrocinio del Comune di Firenze, Media partner Brainstorming art project, UndoNet, Exibart, Edizioni Zero.

work.lab s’inserisce nell’ambito di déjà.vu, il progetto bolognese che da cinque anni porta avanti una ricerca sui linguaggi del contemporaneo che include artisti, studenti, pubblico e luoghi, in una dimensione dialogica e partecipativa.

Villa Romana è una struttura fondata a Firenze nel 1905 dal pittore tedesco Max Klinger e si pone come un forum di arte contemporanea che intesse, attraverso mostre e varie iniziative, un proficuo dialogo con la realtà locale, promuove rapporti di cooperazione con partner interessanti. Istituisce annualmente un premio internazionale per giovani artisti che si concretizza in una residenza di un anno.

aritmia è un associazione culturale con sede a Bologna e promuove le sperimentazione e le produzioni artistiche maggiormente aderenti alla cultura contemporanea.

Con il patrocinio del Comune di Firenze

info: info@dejavu-bo.it – www.dejavu-bo.it – www.museomarinomarini.it – www.villaromana.org
Media partner UnDoNet, Exibart, Edizioni Zero

piazza san pancrazio
50123 firenze, italia
t +39 055 219432
www.museomarinomarini.it

Revolutionäre freie Rede – ein Workshop

24. – 25. Juni 2011

Thomas Kilpper
Revolutionäre freie Rede – ein Workshop mit Vorträgen und Performances anlässlich von Speech Matters, einer von Katerina Gregos kuratierten Gruppenausstellung im dänischen Pavillon auf der 54. Internationalen Kunstausstellung – la Biennale di Venezia

Workshop Flyer  [PDF]

Freitag, 24. Juni

2:00 – 3:00 Regina Wamper „Beyond Freedom of Speech“
3:20 – 5:10 Jakob Jakobsen„The Cultural Battle in Denmark since 2001“
4:40 – 5:10 (salong) Lärmperformance mit jungen Künstlern und Studenten der Akademie der Bildenden Künste, München
5:30 – 6:00 ReBiennale„Beyond the Venice Biennale“ – soziale und ökologische Aktivitäten in Venedig.
Danach gibt es Essen und eine Party im Sozialzentrum „El Morion“ in der Calle del Morion, das vom Netzwerk der Biennale betrieben wird.

Samstag, 25. Juni

11:30 – 12:30 Gáspár M. Tamás„Beyond Revolution“
2:00 – 3:00 Salah Methnani„Beyond Migration“ – Der Zorn des Maghreb und der arabischen Welt, Inwieweit gehört „Redefreiheit“ und die „Bewegungsfreiheit“ zusammen….?
4:00 – 4:30 Thomas Kilppergibt einen Tour zu seiner Arbeit
5:00 – 5:30 (salong)Lärmperformance mit jungen Künstlern und Studenten der Akademie der Bildenden Künste, München

Thomas Kilpper @ Danish Pavilion in Venice

thomas kilpper – installation view – pavilion for revolutionary free speech – giardini, venice 2011
Interview: Thomas Kilpper, Florenz - mit Thomas Borchert, DPA (Deutsche Presse Agentur), Kopenhagen
Frage: Aus Kopenhagen ist ein sehr starkes und fast einhellig negatives Echo auf Ihre Installation beim dänischen Biennale-Pavillon gekommen. Wie haben Sie dieses Echo erlebt?

Heute Nacht träumte ich von Asta Nielsen, sie war Kabarettistin und spielte in einer Fernsehansprache die dänische Verteidigungsministerin: „Ich muss meine Soldaten in Alarmbereitschaft versetzen! Was hier ausländische Künstler veranstaltet haben, ist nicht nur eine Veruntreuung dänischer Steuergelder, es ist eine Kriegserklärung an unsere Nation! Sie haben unser Geld erhalten! Und ihr Dank? Uns zu kritisieren! Das gab es noch nie! Zum Wohle unserer Nation müssen wir unsere Steuergelder zurückfordern! Unsere Soldaten sind bereit, unsere Nation gegen diese Schmach zu verteidigen!“ – Asta war großartig und in ihrer Überspitzung hat sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Aufregung um den dänischen Pavillion in Venedig ist mit Vernunft nicht zu verstehen.

Frage: Was ist ihre eigentliche Intention bei der Installation?

Meine Intention war, ein Kunstwerk voller Intensität zu schaffen, das in sich den Widerspruch trägt, einerseits ein romantischer Pavillon, ein offener Ort im Grünen zu sein, ein Ort, der zum Verweilen einlädt, der sich aber dann, beim Betreten als Ansammlung enormer Konfliktpotentiale erweist. Bedürfnis und Realität stoßen aufeinander. Wie im wirklichen Leben.

Geht es um den Missbrauch von Meinungsfreiheit?

Ja auch, wie um aktuelle Tendenzen von Zensur, aber nicht nur. In dieser Arbeit richte ich mein Hauptaugenmerk auf die allgemeine Lage in Europa, wo in den letzten 20 Jahren eine Machtverschiebung stattgefunden hat: die einstmals marginalen Splittergruppen des rechten Randes haben sich an die Machtzentren herangeschoben, diese Entwicklung ist katastrophal. Ich versuche, diese Entwicklung sichtbar zu machen und darauf eine künstlerische Antwort zu finden. Mein Werk ist ein Ruf: damit muss Schluss sein, wir brauchen eine grundlegende Veränderung, einen emanzipatorischen Aufbruch. Ich will ein offenes Europa, wo wir gleichberechtigt mit allen, gerade auch mit den Zuwanderern und Flüchtlingen anderer Kulturen zusammenleben.

Frage: Wollen Sie, wie die Medien in Dänemark meinten, die Besucher zum Herumtreten auf Politikerporträts animieren?

Das ist Quatsch, meine Arbeit „Pavilion for Revolutionary Free Speech“ beinhaltet neben einer „Speakers Corner“ mit einem großen Megaphon, das jeder Besucher für spontane Ansprachen benutzen kann, eine Bodenarbeit. Die gesamte Bodenfläche, ca 150qm verwandelte ich in einen Holzschnitt. Tatsache ist, die Besucher können diesen Holzschnitt betreten. Das ist auch das besondere, sie stehen mitten im Kunstwerk. Zu ihren Füssen sind diese Figuren, die mit teilweise großer Macht ausgestattet sind. Die Besucher erleben für einen kurzen Moment eine Perspektive, die die realen Machtverhältnisse auf den Kopf stellt. Natürlich können sie selbst bestimmen, wie und wo sie sich auf dem Bild bewegen und positionieren. Es wäre ein völliger Widerspruch zu meiner Denkweise, hier Vorgaben zu machen. Nach der Ausstellung beabsichtige ich einen Gesamtabdruck des Bildes zu fertigen, vielleicht werden die Spuren der Besucher darauf ablesbar sein. Die Arbeit entwickelt sich also im Sinne einer sozialen Plastik weiter.

Frage: Was denken Sie, wenn in dänischen Zeitungs-Kommentaren Ihre Arbeit praktisch durchgehend als „platte Provo-Kunst“, Schmähkunst“ oder „lächerlich“ abqualifiziert wird?

Mit Beschimpfungen dieser Art wurden schon viele – auch namhafte – Künstler konfrontiert, Ich würde mir eine niveauvolle Form der Kontroverse wünschen. Wer meine Kunst aufmerksam wahrnimmt, wird feststellen, dass sie eine Aufforderung zur Differenzierung darstellt. 33 Porträts – alle haben zwei Augen, eine Nase und einen Mund und doch verkörpern sie alle individuelle Personen. Die Kuratorin Bice Curiger oder Paolo Baratta, der Direktor der Venedig Biennale, ein Selbstporträt von mir, Thilo Sarrazin, Angela Merkel, Papst Benedikt. Keiner kann ernsthaft behaupten alle stünden in gleicher Position und Verantwortung. Trotzdem setze ich mich in Widerspruch zu allen, nur: aus verschiedenen Gründen.

Angesichts der Heftigkeit, in der mein Werk in Dänemark angegriffen wird ist es schon beachtlich, dass kein einziger Journalist ihm auch nur in einem inhaltlichen Punkt widersprochen hat: der Papst klärt sexuelle Übergriffe seiner Priester nicht auf, stattdessen agitiert er menschenverachtend gegen Homosexuelle, Berlusconi hat eine Staatssekretärin, die ihren Posten erhält, nachdem sie sagt, sie sei stolz Faschistin zu sein, die griechische Regierung will einen Zaun zur Türkei bauen, um Migranten den Zugang nach Europa zu verbauen…, die ungarische Regierung führt die Zensur der Medien wieder ein…, für mich ist das alles Stoff für entschiedenen Widerspruch. Ich denke, mein Kunstwerk schlägt so hohe Wellen, weil es hier an einem prominenten Ort mit ungewöhnlicher Eindeutigkeit fundamentale Kritik an den politischen Verhältnissen entwickelt.

Frage: Dänemarks Kulturminister Møller hat kritisiert, dass nur zwei von 18 am dänischen Biennale-Pavillon beteiligten Künstlern Dänen sind. Können Sie das verstehen?

Malte-Bruns hätte sich im Grab herumgedreht und dem Minister zugerufen: „Mein Sohn es ist eine Schande, was Du da sagst…“ Die Ausrichtung des dänischen Pavilions über die nationalen Grenzen hinweg ist ein wegweisender Schritt. Das heisst natürlich nicht, dass es keine hervorragenden Künstlerinnen und Künstler in Dänemark gäbe. Die werden vielleicht eines Tages tatsächlich im deutschen, britischen und bestimmt auch wieder im dänischen Pavillon zu sehen sein. Ich selbst definiere mich nicht über „Deutschsein“. Ich empfand die Gastfreundschaft des dänischen Arts Council als phänomenal und wurde davon sehr beeindruckt.

Frage: Hat sich Ihr Bild von Dänemark durch die öffentlichen Reaktionen auf Ihre Installation geändert? Wie erleben Sie das dortige Debattenklima im Vergleich zum deutschen?

Ja, ich bin erstaunt, dass es anscheinend keine kritischen, linken Medien gibt, die sich ein eigenes Bild machen, recherchieren und fundiert schreiben. Das passt aber ins gesamteuropäische Bild, was mir bestätigt, wie wichtig deutliche Zeichen von Protest und Widerstand sind. Ich hoffe aber, dass es sie bald wieder geben wird, die Fische, die gegen den Strom schwimmen, die eine inhaltliche Auseinandersetzung beginnen und sich der Politik von Ausgrenzung, Verhöhnung und Rassismus widersetzen.